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Einem Büchlein aus 1908 - Alfred Fürsts "Sitten und Gebräuche einer Judengasse" - ist es zu verdanken, dass wir über den Umgang mit Sterben und Tod in der jüdischen Gemeinde Eisenstadt bestens unterrichtet sind; ausführlich beschreibt Fürst die umfänglichen Vorbereitungen, die der Beerdigung eines verstorbenen Gemeindemitglieds üblicherweise vorangingen:
Alfred Fürst, Sitten und Gebräuche einer Judengasse, 1908 (= Fürst 1908. S. 61ff.)»Ist der Tod eingetreten ..., so wird zuerst ein Fensterflügel geöffnet, damit die Seele entfliehe, das Wasser im Hause und in den anstoßenden 3 Häusern weggeschüttet, die Spiegel verhängt und dann folgt das 'Abheben', das als große Mizwa ['Gebot, gottgefällige Tat'; Anm. Fürst] gilt. Der Tote wird auf die bloße Erde auf ein wenig Stroh, sein Kopf etwas höher auf einen Ziegelstein gebettet, das Kinn muss hinaufgebunden, die beiden großen Zehen aber mit Stroh zusammengebunden werden. Der Leichnam wird mit einer schwarzen Decke zugedeckt und zu seinen Häuptern ein brennendes Öllämpchen aufgestellt. (...) Vor dem Leichenbegängnisse findet die 'Thaire', ... die Abwaschung und Ankleidung des Toten statt, wozu die Chewra [Beerdigungsverein] eigene silberne Geräte besitzt. (...) Die Totenkleider, die sog. Tachrichim haben ältere Leute meist schon fertig, die Frau bekommt den Kittel ihres überlebenden Gatten, für andere werden neue durch die 'frommen Frauen' angefertigt. Dabei wird darauf geachtet, dass beim Nähen kein Knopf gemacht werde; angeblich deshalb, damit der Tote bei der Auferstehung sich desto leichter der Totenkleider entledigen könne.«
Waren all jene (und viele weitere) Verrichtungen vollzogen, konnte der Zug in Richtung Friedhof beginnen - wie auf dem obigen Foto exemplarisch dargestellt: der von Pferden gezogene Leichenwagen nebst Trauergemeinde bewegt sich aus Richtung Innenstadt, vorbei an Schloss Esterházy, zum jüngeren jüdischen Friedhof; die Identität des Verstorbenen ist bedauerlicherweise nicht gesichert zu ermitteln.
Alfred Fürst: Sitten und Gebräuche einer Judengasse (Minhag Asch). Székesfehérvár 1908.